Ca. 75% aller Bundesdeutschen Bürger errichten KEIN Testament (Quelle: Statista GmbH) Sie vertrauen folglich auf die in ihrem Erbfall dann geltende gesetzliche Erbfolge.
Die Praxis zeigt, dass die gesetzliche Erbfolge aber in der Regel nicht der "eigentlich" gewollten Vorstellung entspricht. Dies verwundert nicht, da die meisten Regelungen der gesetzlichen Erbfolge noch aus dem Jahr 1900 stammen und oftmals den heutigen gesellschaftlichen Interessen dadurch nicht mehr gerecht werden. 60% der erbrechtlichen Streitigkeiten entstehen durch die gesetzlichen Erbfolgeregelungen (Quelle: Tz München 11/12 Mai 2013, Seite 17).
Hinzu kommt die Tatsache, dass der juristische Laie ohne professionelle Hilfe zu 90% fehlerhafte, anfechtbare oder nichtige Testamente errichtet (Quelle: Focus)
Stirbt nun ein Ehegatte, erbt nach der gesetzlichen Erbfolge der überlebende Ehegatte mit einer Erbquote von 1/2, die Kinder erben mit einer Erbquote von je 1/4. Überlebender Ehegatte und Kinder
bilden eine Erbengemeinschaft, die darauf ausgerichtet ist, den Nachlass des verstorbenen Ehegatten auseinanderzusetzen, d.h. gemäß den Erbquoten zu teilen.
Die Erfahrung zeigt, dass diese Erbfolge in der Regel gar nicht von den Eheleuten gewünscht wird. Dies erklärt sich, wenn man sich die Tatsachen vergegenwärtigt: Die Eheleute
erwirtschaften gemeinsam Vermögen, zu dem die Kinder in der Regel keinen Cent beigetragen haben, ja im Gegenteil. Die Eheleute haben statistisch vielmehr Unterhalt pro Kind bis zu deren
18ten Lebensjahr von 120.000 EUR geleistet (Quelle: Focus: 24.03.2006).
Eheleute verfolgen jedoch auf Nachfrage in der Regel das Interesse, sich gegenseitig im Alter optimal abzusichern, damit für die Altersvorsorge und für eine evtl. Altenpflege genügend Geld zur Verfügung steht. Die Kinder sollen erst nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten vom Vermögen partizipieren. Dieses Interesse kann aber nur durch ein wirksames Testament (oder Erbvertrag) realisiert werden.
Selbst wenn die gesetzliche Erbfolge gewünscht wird, ergeben sich praktische Probleme bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (Nachlassteilung). Das im Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten gefallene Geldvermögen lässt sich noch problemlos unter den Beteiligten der Erbengemeinschaft aufteilen, hinsichtlich der Immobilienhälfte entsteht folgendes Problem: Zwar kann das Grundbuch entsprechend berichtigt werden, d.h. die Kinder werden im Grundbuch als Miteigentümer der Immobilie eingetragen. Die Folge ist jedoch, dass sie dann als sog. Bruchteilseigentümer grundsätzlich jederzeit die Veräußerung des gesamten Grundstücks verlangen können (bei Streit kann die Teilungsversteigerung beantragt werden!). Ein Druckmittel der Kinder gegenüber dem überlebenden Ehegatten entsteht, das - wenn das Eltern-Kind-Verhältnis gestört ist - durchaus auch ausgeübt wird. Man könnte sich in der Erbengemeinschaft grundsätzlich auch dahingehend einigen, dass der überlebende Ehegatte die Kinder "ausbezahlt", d.h. ihnen ihren Miteigentumsanteil in Geld gibt. Im vorliegenden Fall wäre dies aber nicht möglich, da nicht genügend Geldvermögen vorhanden ist. All diese Folgen hätten durch ein Testament (oder Erbvertrag) vermieden werden können.
Lesen Sie zum Thema Ehegattentestament auch unter Veröffentlichungen meinen Artikel "Denkanstöße zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments".
Richtig ist die Annahme von F nur, wenn man davon ausgeht, dass ihr Sohn sie überlebt. Der Fall kann aber auch anders laufen. F wird pflegebedürftig und erkrankt an Alzheimer, die später zu ihrer Testierunfähigkeit führt. Kurz vor ihrem Tod in einem Münchner Seniorenheim verunglückt ihr Sohn tödlich bei einem Verkehrsunfall. Die gesetzliche Erbfolge führt dazu, dass der Freistaat Bayern Frau F beerbt und 500.000 EUR auf ihn übergehen. In der Regel wird dies nicht gewollt. Durch eine testamentarische Ersatzerbeneinsetzung hätte F obige gesetzliche Erbfolge verhindern können.
Die unreflektierte Verfügung "Vor-Nacherbeneinsetzung" hat weit reichende Folgen, die der juristische Laie kaum abschätzen kann. Angenommen, S würde nach dem Tod von M pflegebedürftig und müsste in einem Heim untergebracht werden. Für eine optimale Heimpflege bedarf es Zuzahlungen (zusätzlich zu Leistungen der Sozialversicherung) von angenommen 2.500 EUR / Monat. Selbst kann S diese Mittel mit seinem geringen "Eigenvermögen" nicht aufbringen. S bzw. sein Betreuer prüft, ob er nicht die in die Vorerbschaft gefallene Eigentumswohnung veräußern, und den Erlös für eine optimale Pflege verwenden könnte. Dies geht jedoch nicht! Der sog. nicht befreite Vorerbe darf die Eigentumswohnung nur quasi wie ein Nießbraucher gebrauchen, d.h. selbst darin wohnen oder vermieten, aber nicht veräußern oder belasten (etwa mit einer Grundschuld). Da die Eigentumswohnung renovierungsbedürftig ist und S kein Geld zur Verfügung steht, die Wohnung für eine Vermietung herzurichten, ist die Eigentumswohnung für ihn wertlos; eine optimale Pflege steht ihm damit nicht zur Verfügung. Da M am besten für die Familie sorgen wollte, war die Wahl der "nicht -befreite Vor-Nacherbschaft" die falsche Entscheidung.
Was ist passiert: Aus erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten hat ein Ehepaar sich zu Lebzeiten von seinem Eigentum getrennt. Zwar haben sie sich den Nießbrauch vorbehalten, dieser nutzt aber in der vorliegenden Konstellation nichts. Rechtlich könnte F natürlich die Doppelhaushälfte vermieten, rein faktisch wird sie dies aber nicht durchsetzen können, da ihre Tochter - versehen mit einer Vorsorgevollmacht - mit ihrer Familie ihren Lebensmittelpunkt nicht aufgeben möchte; und einen Mieter zu finden, der zusammen mit einer Familie in einer Doppelhaushälfte leben möchte, ist eher unwahrscheinlich. Außerdem hat nun T die Möglichkeit, das Haus ganz für sich zu nutzen. Rein rechtlich ist es zwar häufig so, dass in den sogenannten Übergabeverträgen, in denen die Eigentumsübertragung mit Nießbrauchsvorbehalt vereinbart werden, eine Rückforderungsklausel eingebaut ist, mit der F die Nießbrauchsbestellung rückgängig machen und so wieder Eigentum am Haus verlangen könnte. Rein faktisch ist es aber so, dass - angesichts der Tatsache, dass T Vorsorgevollmacht hat - dieses Recht nicht ausgeübt wird. Selbst wenn F die Vorsorgevollmacht widerrufen wollte, würde es Monate, wenn nicht Jahre dauern, im "prozesskostenintensiven" und nervenaufreibenden Klageweg das Eigentum am Haus zurückzuerwerben.
Es stellt sich daher die Frage: Sind erbschaftsteuerlich motivierte Verfügungen zu Lebzeiten "mehr Wert", als eine gesicherte Altersvorsorge inklusive Finanzierung einer optimalen Pflege. Ein rechtsgültiger Mietvertrag mit T, der Mieteinkünfte sichert, oder ein frühzeitiger Verkauf des Hauses - vielleicht an T und Schwiegersohn, hätten beispielsweise F in ihrer derzeitigen Situation besser geholfen, denn in Sachen Pflegeheim oder Pflegeleistung zählt am Ende nur, wieviel Geld zur Verfügung steht.
Das Testament wirft folgende Probleme auf:
(1) Es fehlt die Ersatz-Erben-Einsetzung! Stirbt N1 vor F und kann F zu diesem Zeitpunkt das Testament nicht mehr ändern, wird N2 nach der gesetzlichen Erbfolge Alleinerbin (§ 1925 BGB). Genau das sollte von F gerade verhindert werden.
(2) Die Formulierung "setze ... zum Alleinerben meines Appartements ein" ist regelungstechnisch falsch, da sie gegen das erbrechtlich Prinzip der Universalsukzession (§ 1922 BGB) verstößt. Erbrechtlich kann auf den Erben nur das Vermögen im Ganzen (universal) übergehen oder nur zu Bruchteilen. Eine sogenannte gegenständliche Erbeinsetzung sieht das deutsche Erbrecht grundsätzlich nicht vor. Gegenständlich kann über den Nachlass nur durch Vermächtnis, Teilungsanordnung, Vorausvermächtnis oder durch Auflage verfügt werden. Im Beispielsfall müsste durch Testamentsauslegung ermittelt werde, ob N1 Erbin oder Vermächtnisnehmerin sein soll.
(3) F hat nur über einen Teil ihres Vermögens (Appartement) verfügt. Über das Sparvermögen ist keine eindeutige Anordnung getroffen worden, so dass im Zweifel diesbezüglich die gesetzliche Erbfolge gilt, d.h. 50.000 EUR gingen an N2, was aber gerade verhindert werden sollte.
(4) Erbschaftsteuerrechtlich unterfällt N1 gem. § 15 Abs. 1 ErbStG der Steuerklasse II. Beschränkt man den Erwerb auf das Appartement mit dem Wert von 200.000 EUR so hat N1 eine Erbschaftsteuerlast von 27.000 EUR. Diese kann sie mit ihrem Eigenvermögen nicht tragen, so dass - soweit Stundungsmöglichkeiten nicht in Betracht kommen - das Appartement verkauft werden müsste, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Ein bitteres Ergebnis, wenn das Appartement sich in bester Lage befindet, und N1 dort mietfrei hätte wohnen können. Mit der richtigen Testamentsverfügung hätte N1 aus dem Sparvermögen von F die Erbschaftsteuer zahlen können. Durch Adoption von N1 hätte F ihre Nichte einen Freibetrag von 400.000 EUR verschaffen können, so dass N1 keine Erbschaftsteuer hätte zahlen müssen.
(5) Die Verwahrung des Testaments durch F in ihrer Wohnung kann dazu führen, dass es ggf. im Erbfall nicht aufgefunden wird, oder ggf. von N2, sollte sie als erstes Zugriff zur Wohnung erlangen, unterschlagen wird. Besser wäre es im Fall von F gewesen, das Testament im Nachlassgericht München zu hinterlegen. Dort liegt es sicher und wird im Erbfall von Amts wegen eröffnet
Resümee: F hat in ihrem Testament in einem Satz fünf Fehler begangen. Eine anwaltliche Beratung hätte dies verhindert.